Wie in so vielen anderen ländlichen Kulturen so ist auch das gesellschaftliche Leben in Sappada / Plodn von kirchlichen und weltlichen Festen geprägt, die der Abfolge der Jahreszeiten und den Feierlichkeiten der christlichen Religion entsprechen. Eng verbunden mit diesen Momenten sind Traditionen, die im Leben der Gemeinschaft von Sappada immer noch von großer Bedeutung sind.

Neujahr

Naijohrtòk

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Das Jahr der Sappadiner / Plodar beginnt mit einem Glückwunsch, der am Morgen des ersten Januartages von den Kindern des Dorfes von Haus zu Haus gebracht wird. Für ihren Vortrag eines Kinderreims, der an die Werte der bäuerlichen Welt erinnert und Wohlstand wünscht, erhalten sie Süßigkeiten oder etwas Kleingeld.

I bintsch a glickseligis nais johr,

Ich wünsche ein glückliches, neues Jahr,

s’òlte is gor unt s’naje is do.

das alte ist vorbei und das neue da.

A vrischis, a gesunts unt a lòngis lebm unt òlbm gearn gebm.
/ Gearn gebm, lònge lebm.

Ein frisches, ein gesundes und ein langes Leben und immer gern geben

/ Gern geben, lang leben.

Ana kuchl volla kinder,

Eine Küche voll mit Kindern,

an schtòl volla rinder,
einen Stall voll mit Rindern,
an paitl volla gèlt,

einen Beutel voller Geld,

luschtich is de bèlt!!

lustig ist die Welt! 

Karneval - Fasching - Fastnacht

Vosenòcht

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Ein mit Spannung erwartetes Ereignis war und ist der Karneval (Vosenòcht), eine Zeit des Tanzes und des Vergnügens in den drei Wochen vor Aschermittwoch, in der man die täglichen Mühen und Entbehrungen vergessen und die von den Hausfrauen zubereiteten Süßigkeiten genießen konnte.

Im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stehen die Masken (letter): Um von den Dorfbewohnern nicht erkannt zu werden, tragen sie neben einer vollständigen Verkleidung typische Holzmasken (lòrvn), die von lokalen Handwerkern geschnitzt und oft von Generation zu Generation weitergegeben werden. Am meisten Spaß macht es, Bekannte und Freunde zu besuchen, ohne von ihnen erkannt zu werden.

Manchmal können die Besuchten erkennen, wer sich unter der Maske verbirgt, es ist jedoch ein ungeschriebenes Gesetz, dass sie die Identität der Maskenträger nicht preisgeben und deren Reden und Witze mitmachen und sich dabei ihrerseits köstlich amüsieren.

Wie in alten Zeiten finden die Karnevalsfeierlichkeiten in Sappada an drei Sonntagen statt, die jeweils den drei verschiedenen Gesellschaftsschichten gewidmet sind. Am sogenannten „Bettlersonntag“ (Pèttlar sunntach) kleiden sich die Menschen bescheiden und verrichten die einfachsten Arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen; der „Bauernsonntag“ (Paurn sunntach) erinnert an die alte bäuerliche Arbeit und der „Herrensonntag“ (Hearn sunntach), Ausdruck der wohlhabenden Schicht, bietet die Gelegenheit, die kostbarsten Kostüme vorzuführen.

Je nach Sonntag tragen die Masken also entsprechende Kleidung und inszenieren lustige Szenen, in die sie die Zuschauer und die Bewohner der Häuser, die sie besuchen, einbeziehen. Um nicht erkannt zu werden, verstellen sie ihre Stimme (goschn).

Weitere charakteristische Tage dieser Zeit sind der „Faschingsdonnerstag“ (Vaastign pfinzntòk), an dem die Rollatn durch das Dorf ziehen – der Tag war früher dem Wagen-Umzug gewidmet; der „Rosenmontag“ (Vrèss montach), ein Tag, der ausschließlich dem Rollat gewidmet ist, und der „Faschingsdienstag“ (Schpaib ertach) mit dem Kinderfasching / kindervosenòcht, der an die Stelle des No club, des Skirennens in Verkleidung, getreten ist, dessen erste Ausgabe auf das Jahr 1934 zurückgeht.

Die gesamte Karnevalszeit von Sappada hindurch tritt der Rollat auf, eine raue männliche Figur, die ein dunkles, an ein Bärenfell erinnerndes Ziegenfell (pelz) trägt und deren Gesicht sich hinter einer Holzmaske verbirgt. Diese geschnitzten Masken mit den harten, ausgeprägten Zügen der Bergbewohner sind echte Meisterwerke der lokalen Handwerkskunst. Der Name Rollat leitet sich von den rolln ab, den lärmenden kugelförmigen Glocken, die die Maske mit einer Kette (kettn) um die Taille gebunden trägt und die beim Gehen geräuschvoll aneinanderschlagen. Der Rollat trägt eine braun-weiß gestreifte Hose aus Leinen und Wolle, die aus den Tüchern (hile) hergestellt wurde, mit denen früher die Herden im Winter zugedeckt wurden, und er trägt genagelte Schuhe (aisnschui), mit denen er den Kindern bei Schnee und Eis nachlaufen kann, wenn sie vor ihm reißausnehmen und sich zwischen den Häusern verstecken. Ein rotes Wollbüschel auf der Kapuze und ein Halstuch (hòntich) sind die einzigen Verzierungen. Das Tuch ist weiß wenn der Rollat unverheiratet ist und rot wenn er verheiratet ist. Die Rollatn schreiten mit einem Besen (früher aus Heidekrautzweigen – hadratpesn) voran, der je nachdem spielerisch oder drohend eingesetzt wird.

In der Vergangenheit bot die Verkleidung als Rollat auch die Gelegenheit, sich für die im Laufe des Jahres erlittenen Beleidigungen und Ungerechtigkeiten zu rächen: Junge Burschen wurden oft in eiskaltes Brunnenwasser geworfen. Wenn die Rollatn jemanden ansprechen, so bedienen sie sich ritueller Spruchformeln und ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass sie ausschließlich Plodarisch sprechen müssen.

Gemeinsam mit den Rollatn treten auch die Pajazn auf, stumme, bunte Masken mit einem kegelförmigen Hut, die um sie herumtanzen und springen.

Während des Karnevals werden auch verschiedene Süßspeisen zubereitet, wie zum Beispiel krischkilan, hosenearlan (Hasenohren), mognkròpfn mit Mohnfüllung und Pfannkuchen (muttn).

Eine der wichtigsten Initiativen der letzten Jahre ist der Maskenschnitzwettbewerb „Schnitzar Bette“, der 1998 ins Leben gerufen wurde, um dieses traditionelle Handwerk zu erhalten.

Maschera tipica del carnevale sappadino | Plodar Vosenòcht

Bettlersonntag

Pèttlar sunntach

Maschera tipica del carnevale sappadino | Plodar Vosenòcht

Bauernsonntag

Paurn sunntach

Die drei Sonntage

Maschera tipica del carnevale sappadino | Plodar Vosenòcht

Herrensonntag

Hearn sunntach

Rollate e Pajaz, maschera tipica del carnevale sappadino | Plodar Vosenòcht

Rollatn · Pajazn

Rollatn · Pajazn

Hauptfiguren

Fastenzeit und Ostern.

Vòschte · Oaschtern

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Die Fastenzeit (Vòschte) stellt die durch den Karneval unterbrochene Ordnung wieder her und beginnt am Aschermittwoch (Òsche mittach). Die Fastenzeit wurde in der Vergangenheit sehr intensiv gelebt, vor allem die Karwoche (Morterboche): Gründonnerstag (Bainpfinzntòk), Karfreitag (Kollvraitach) mit der Darbringung von Gerste während des Nachmittagsgottesdienstes und der traditionellen abendlichen Prozession durch die mit Lichtern geschmückte Hauptstraße. Die ganze Nacht hindurch fanden Kreuzweg – Prozessionen zum Kalvarienberg (Kolvari) statt. Am Karsamstag (Tafsonstach) wurde vor dem Eingang der Kirche das Osterfeuer entzündet, das man dann nach Hause trug mittels eines an einem Draht hängenden Lärchenschwamms, den man während des Jahres geerntet und getrocknet hatte. Als Ersatz für die Kirchenglocken, die an den drei Tagen der Karwoche nicht geläutet wurden, verwendete man Ratschen (krètschn).

Auch heute noch werden am Palmsonntag (Pòlmsunntach) Palmkätzchen (pòlmn) zur Segnung in die Kirche gebracht; beim feierlichen Ostergottesdienst (Oaschtern) werden Körbe mit Lebensmitteln gesegnet, die die Gläubigen in die Kirche vor den Altar stellen: Eier, süßes Brot (Oaschter proat) und Wurstwaren oder geräuchertes Fleisch, das beim Festmahl verzehrt wird.

Frühling

Lòngas

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Mit dem Einzug des Frühlings bat man bei Prozessionen (ummegènge) und Umgängen über die Felder oder anlässlich von Heiligenfesten um einen guten Sommer und eine reiche Ernte, bevor die landwirtschaftliche Arbeit in all ihrer Härte fortgesetzt wurde. Sie finden auch heute noch statt, vor allem die Fronleichnamsprozession (Òntlastòk) entlang der festlich geschmückten Hauptstraße, die in die Felder von Schbònt führt.

 

Die wichtigste aller Glaubensbekundungen war und ist jedoch die Wallfahrt nach Maria Luggau (kirchfort in de Lukkaue). Die Wallfahrt wurde erstmals 1804 von Pfarrer Gregorio Agaro angesichts einer Rinderseuche ins Leben gerufen. Das Gelübde an die Muttergottes lautete, jedes Jahr diese Wallfahrt zu unternehmen, um die Seuche zu beenden. Diese wichtige Wallfahrt, die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen und 1920 wieder aufgenommen wurde, wurde während des faschistischen Regimes erneut ausgesetzt und blieb der individuellen religiösen Praxis überlassen. Die Tradition wurde schließlich nach dem Krieg 1961 in gemeinschaftlicher Form alljährlich wieder aufgenommen, zunächst Ende Juni und seit 1965 am Vorabend des dritten Sonntags im September. In den Jahren 2020 und 2021 wurde sie wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt.

Sommer

Summer

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Ab dem Fest des heiligen Antonius von Padua (13. Juni) wurden die sommerliche Mäharbeit auf den Wiesen und das Viehhüten nur noch durch die Dorffeste zu Ehren der heiligen Margareta (20. Juli), der Schutzpatronin der Gemeinde Sappada, und des heiligen Oswald in Cima Sappada (5. August) unterbrochen. 

Traditionsgemäß haben Mädchen und Burschen, die im Laufe des Jahres ihren achtzehnten Geburtstag feiern (sogenannte coscritti), eine eigene Rolle innerhalb der Gemeinschaft von Sappada inne. Den jungen Männern kommt die Aufgabe zu, das gesamte Jahr hindurch bei den Sommerprozessionen die Heiligenstatuen in ihren Händen zu tragen. Zu diesem Anlass setzen die Burschen einen dunklen Hut auf, der mit Spielhahnfedern (schbaf) und den von den gleichaltrigen Mädchen selbst hergestellten Papierblumen geschmückt ist. Diese Hüte werden eifersüchtig gehütet und manchmal von Generation zu Generation weiterverliehen.

Mazzo di fiori di montagna benedetto


Geweihter Alpenblumenstrauß
Baipusch


Zahlreiche Feste sind der Mutter Gottes gewidmet: insbesondere das Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August (Groassvrauntòk / Hoachvrauntòk), bei dem die Bergblumen gesegnet werden. Die Blumen des gesegneten Straußes (baipusch) wurden dann zuhause getrocknet und zu verschiedenen Anlässen verwendet. So wurden sie in das Reisegepäck der Auswanderer gelegt, oder bei Sturm ins Feuer geworfen, an Tagen mit starkem Schneesturm verbrannt oder in Scheunen und Almhütten unter das erste Heu gemischt.

Herbst und Winter

Herbischt · Binter

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Der Sommer endete mit der zweiten Heumahd und dem anschließenden Almabtrieb, bei dem die Kühe festlich mit Blumen und Tannenzweigen geschmückt wurden.

Das Ende der Sommersaison wurde am zweiten Sonntag im September (Klanvrauntòk) ebenfalls mit einer Prozession zur Madonna in Cima Sappada gefeiert, um für die Sommergaben der Natur zu danken.

Ritorno delle mucche dall'alpeggio a Sappada


Almabtrieb
Vicher van òlbm oartraibm


Zu Beginn des Herbstes zogen sich die Menschen in ihre holzbeheizten Häuser zurück und es begann eine Zeit der Ruhe und des geringen gesellschaftlichen Lebens; man wartete auf den langen Winter.

Sant’Andree kimnt der schnee, Schan Nikolò issar schòn do.

Zu St. Andreas (30. November) schneit es, zu St. Nikolaus (6. Dezember) liegt bereits Schnee.

Am Abend des 5. Dezember erwartet man die Ankunft des Heiligen Nikolaus, der alle braven Kinder beschenkt; der Advent bereitet auf Weihnachten (Bainachtn) vor, und am 24. Dezember wird die Geburt des Jesuskindes mit stimmungsvollen Gottesdiensten wie der gesungenen Mitternachtsmesse (Metta) gefeiert.